Freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb für die Fußgängerzone

Die zukunftsfähige und nachhaltige Umgestaltung der Fußgängerzone stellt das Kernprojekt des ISEK dar. Mit der Durchführung des Realisierungswettbewerbes für die „Umgestaltung der Fußgängerzone in Werl“ hat die Stadt erstmalig einen Planungswettbewerb ausgelobt. Mit Hilfe dieses Planungsinstrumentes war es letztlich möglich, die Entwürfe von zwölf renommierten und erfahrenen Planungsbüros erhalten zu können. 

Als Leitlinie für die Auslobung des Wettbewerbs waren insbesondere die Ergebnisse der Potenzialanalyse für die Fußgängerzone ein grundlegender Bestandteil. Die Analyse gibt wichtige Anhaltspunkte für eine zukunftsfähige Entwicklung der Stadtmitte, die sich in der Neugestaltung niederschlagen sollen. Der historische Stadtkern soll zukünftig mehr sein als nur ein Einzelhandelsstandort. Unter dem Leitgedanken „Entschleunigen und Wohlfühlen“ soll die Stadtmitte zukünftig zu einem vielfältig nutzbaren Raum für die Bevölkerung werden. Die Wettbewerbsaufgabe war Teil einer Gesamtstrategie für die Entwicklung der Werler Kernstadt, die vom REGIONALE-Ausschuss als 3-Sterne-Projekt ausgezeichnet wurde.

Die Gestaltung des öffentlichen Raumes ist von großer Bedeutung für die Aufenthaltsqualität, Nutzungsvielfalt und das gesamte Erscheinungsbild des historischen Stadtkerns. Aus diesem Grund wurden Kriterien zugrunde gelegt, die in den Entwürfen Berücksichtigung finden sollten. Neben der Fußgängerzone selbst sollten auch der alte Marktplatz als zentraler Begegnungsort sowie der neue Marktplatz als Ergänzung des öffentlichen Raumes mit in die Freiraumplanung einbezogen werden. Gewünscht war darüber hinaus eine einheitliche und attraktive Gestaltung der Fußgängerzone mit ersten Gedanken zur Begrünung, Belichtung, den verwendeten Materialien und Oberflächen sowie Ideen für Mobiliar und Ausstattung. Ein weiteres Ziel und Wettbewerbskriterium war die Konzentration von Handels-, Gastronomie- und Dienstleistungsangeboten in der Werler Innenstadt sowie die Stärkung von Rad- und Fußverkehr. Zudem sollten der Stadtkern mit angrenzenden Freiräumen wie dem Kurpark verknüpft und eine stärkere Durchgrünung im öffentlichen Raum erreicht werden. Dabei spielten auch Klimaschutz und Klimafolgeanpassungen eine wichtige Rolle für die zukunftsgerechte Innenstadt. Es sollte ein attrakti­ver innerstädtischer Raum entstehen, der den Bedürfnissen der Bürgerschaft entspricht. Ziel war die Belebung und Stärkung der Fußgängerzone, die nicht nur eine funktionale Verbindungsachse darstellt, sondern auch als Freiraum eine hohe Aufenthaltsqualität bietet. Die innerstädtischen Stadträume sollten besser miteinander vernetzt und die Attraktivität des städtebaulichen Umfeldes gestei­gert werden. Das Ergebnis sollte den Mehrwert des neu gestalteten öffentlichen Raumes im Wettbewerbsgebiet verdeutlichen. Die Freiräume im historischen Stadtkern sollten so gestaltet werden, dass sie für alle Menschen uneingeschränkt zugänglich und nutzbar sind. Dieses Ziel war insbesondere vor dem Hintergrund des demo­grafischen Wandels ein zentraler Schritt zu einer zukunftsfähigen Ge­staltung. 

Mit Unterstützung des wettbewerbsbetreuenden Büro post welters + partner mbB aus Dortmund wurde ein begrenzter, einphasiger freiraumplaneri­scher Realisierungswettbewerb gemäß der Richtlinie für Planungs­wettbewerbe (RPW 2013) ausgelobt. Die Teilnehmerzahl wurde auf 15 teilnehmende Büros begrenzt. Es erfolgte ein vorgeschalteter EU-wei­ter Teilnahmewettbewerb. Anknüpfend an den Wettbewerb ist ein Verhandlungsverfahren gemäß Vergabeverordnung (VgV) mit den drei Preisträgern durchgeführt worden. Die Abgabe der Wettbewerbsbeiträge er­folgte anonym, sodass die Auswahl des besten Gestaltungsvorschla­ges im Fokus stand. Der Wettbewerb richtete sich an Landschaftsarchitektinnen und Land­schaftsarchitekten.

Die teilnehmenden Büros erhielten im Januar 2023 die Auslobungsun­terlagen. Am 14. Februar 2023 fanden die Preisgerichtsvorbesprechung und das Einführungskolloquium mit den Wettbewerbsteilnehmenden und dem Preisgericht statt; Rückfragen konnten hier geklärt werden. Bis zum 4. April 2023 als Abgabefrist wurden zwölf Entwurfsbeiträge eingereicht. Die Vorprüfung der Wettbewerbsarbeiten wurde im April/Mai 2023 in Dortmund durchgeführt. Am 25. Mai 2023 tagte das unabhängige Preisge­richt zur Beurteilung der Arbeiten in der Stadthalle Werl. Das Preisgericht bestand aus Sach- und Fachpreisrichtern. Die Sachpreisrichter und ihre Stellvertreter wurden in der Sitzung des Planungs-, Bau- und Stadtentwicklungsausschusses der Stadt Werl am 4. Mai 2022 festgelegt. Darüber hinaus waren zur sachverständigen Beratung des Preisgerichts verschiedene Personen mit unterschiedlichen fachlichen Qualifikationen vor Ort. Diese hatten jedoch kein Stimmrecht. 

Im Zuge mehrerer Beurteilungsrunden bildete sich das Preisgericht sein Urteil aus der Qualität der vorgelegten Wettbewerbsarbeiten und legte hierbei folgenden Bewertungsrah­men zugrunde, ohne dass die Reihenfolge zugleich eine Gewichtung darstellt: 

  • Gestaltqualität des Freiraums

  • Funktionale Qualität

  • Wirtschaftlichkeit und Realisierbarkeit in Planung,

  • Herstellung und Betrieb

  • Ökologie

Letztlich konnten zwei Anerkennungspreise sowie die Plätze 1 – 3 vergeben werden. Die beiden Anerkennungspreise erhielten die Büros scape Landschaftsarchitekten GmbH (Düsseldorf) und Lex-Kerfers Landschaftsarchitekten und Stadtplaner (Bockhorn). Der dritte Platz wurde an das Büro GREENBOX Landschaftsarchitekten PartG mbB (Köln) und der zweite Platz an das Büro bbz landschaftsarchitekten berlin gmbh (Berlin) vergeben. Der Siegerentwurf ist von dem Büro RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten (Bonn/Köln) eingereicht worden. Vom 5. bis 22. Juni 2023 konnten sich alle Interessierten die zwölf eingereichten Wettbewerbsbeiträge im Rahmen einer Ausstellung in einem Ladenlokal in der Walburgisstraße 22 ansehen. 

Das Konzept des Büros RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten sieht eine Gliederung des Straßenraums in Räume und Abschnitte vor. Die Fußgängerzone wird räumlich klar gegliedert. Nach Durchschreiten der Eingangsplätze wird der Raum durch Grünelemente, Bäume und Aufenthaltsbereiche strukturiert. Verschiedene Platzsituationen definieren zum einen wichtige Auftaktsituationen am nördlichen Eingang (Erbsälzerstraße/Melstergraben) und am südlichen Eingang (Kämperstraße/Steinergraben). Zum anderen greifen sie städtebauliche räumliche Aufweitungen des Straßenraums und Querverbindungen auf (Am Rykenberg/Kurze Straße, Glockengasse, Bachstraße/Melsterstraße). Diese Platzsituationen sind offene, multifunktionale kleine Quartiersplätze.

Die dazwischenliegenden, linearen Straßenabschnitte sind Bewegungs-, Aktivitäts- und Aufenthaltsraum zugleich. Ein Multifunktionsband, das „Grüne Band“, zieht sich Straßenbegleitend als verbindendes Element durch die gesamte Fußgängerzone. Es bietet eine flexible Anordnung an Funktionen, die sich stets aus der angrenzenden Bebauung ergeben. Kernelement sind die grünen Schollen, die das Band mit ihrer Sitzrahmung räumlich gliedern. Dazwischen lassen sich verschiedene Bereiche wie Aufenthaltsnischen, Multifunktionsnischen z.B. für die Außengastronomie, Spiel- oder Fitnessbereiche anordnen. Vorhandenen Bestandsbäume werden weitgehend integriert und mit den Stellungen von Neupflanzungen ergänzt. Insgesamt schafft die lockere Baumstellung in Kombination mit den Sitzgelegenheiten eine einladende Stimmung.

In der aktuellen Situation funktioniert der Alte Markt vor allem als multifunktionaler Platz, dem allerdings hochwertige Verweilangebote fehlen. Das Konzept setzt daher an dieser Stelle an. Als bessere Verbindung des Platzes mit der Fußgängerzone wird eine neue Belagsintarsie angelegt, die nicht nur den Platz als solches einbindet, sondern auch die Alte Apotheke und somit erst in der Walburgisstraße abschließt. Der Alte Markt erhält durch die Erweiterung der Natursteinpflasterintarsie bis östlich der Alten Apotheke mehr Großzügigkeit und integriert das historische Gebäude sowie die weiteren bestehenden und neuen Baumelemente zu einem Ensemble. Das Angebot neuer baumüberstandener Sitzbereiche wertet den Standort weiter auf, das bestehende Fontänenfeld wird in seiner mittigen Lage auf dem Platz gestärkt und betont.

Die Verbindung zum Neuen Markt wird durch die klare Rahmung zweier Aufenthaltsschollen am Alten Markt gestärkt. Im Übergangsplatz entsteht unter einem Bestandsbaum ein weiterer Aufenthaltsbereich als einladende Geste für ankommende Besucher. Der Neue Markt selbst wird durch Hügelbeete in Leichtbauweise im Zentrum definiert. Kerngedanke des Entwurfes ist es, neben einer neuen Strukturierung und einer hohen Aufenthaltsqualität einen begrünten, klimaresilienten Stadtraum zu schaffen. Das Grüne Band integriert daher zahlreiche Bestandsbäume und wird Standort zahlreicher neugepflanzter kompakter Klimabäume. Die Bepflanzung ist zudem bienen- und insektenfreundlich und hilft dabei, eine höhere Biodiversität zu erzielen. Vorhandene Materialien, insbesondere das Natursteinpflaster des Alten Marktes, werden erhalten bzw. wiederverwendet. Die große Fläche des Alten Marktes kann im Bestand erhalten werden. 

Nach Abschluss des Wettbewerbsverfahrens wird der Siegerentwurf des Büros RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten weiter ausgearbeitet und präzisiert.