2020 - Das heilige Kreuz von Werl
Die Geschichte des Heiligen Kreuzes von Werl hat Dr. Gerhard Best, Leiter der Marienwallfahrt Werl, zusammengefasst.
Bereits lange vor Beginn der Wallfahrt zum Marienbild der „Trösterin der Betrübten“ wurde in der Pfarrkirche St. Walburga, die seit 1892 den Ehrentitel Propsteikirche führt, ein anderes Bildnis hoch verehrt: Das Heilige Kreuz von Werl. Dieses entstand spätestens im 13. Jahrhundert und enthielt früher wohl als Reliquie eine Partikel vom Kreuz Jesu Christi aus Jerusalem. Die erste urkundliche Erwähnung des Hl. Kreuzes stammt vom 5. Januar 1370.
Von der überregionalen Bedeutung dieses Christusbildes gibt der bis heute erhaltene gotische Ziborienaltar aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Zeugnis, der als Nachbildung des Heiligen Grabes zu Jerusalem gedeutet wird.
Hier hat das Kreuz auf der steinernen Rückwand in einem um 1400 entstandenen Altargemälde aus der Schule des Conrad von Soest seinen Platz. Die Malerei ist dabei so ausgeführt, dass sich das Heilige Kreuz vollplastisch in das Werk einfügt und zwei Motive miteinander verbindet: den Kalvarienberg, bei dem zu Seiten des Gekreuzigten Maria und Johannes dargestellt sind, und den so genannten Gnadenstuhl, also die von Engeln gerahmte Dreifaltigkeit aus dem thronenden Gott-Vater, der Heilig-Geist-Taube und dem Christusbild.
Welch hohe Wertschätzung das Heilige Kreuz im Mittelalter über Werl hinaus genoss, macht seine jährliche Übertragung zu einer großen Heiligtumstracht nach Soest am 4. Juli, dem Festtag des hl. Ulrich, und am 5. Juli, dem Weihetag der dortigen Stiftskirche St. Patroklus, deutlich. Dort wurde es in der Prozession gemeinsam mit den in den Soester Kirchen verehrten Bildnissen, allerdings an privilegierter erster Stelle, mitgeführt und anschließend im heutigen Dom zur Verehrung aufgestellt. Unter den gemeinsam mit dem Werler Kreuz bei diesem Umgang mitgeführten Soester Heiligtümern ist eines besonders erwähnenswert. Gemeint ist das eingangs schon kurz genannte, heute ebenfalls in Werl hoch verehrte Gnadenbild der „Trösterin der Betrübten“, das bis 1661 seinen Platz in der Soester Kirche St. Maria zur Wiese hatte und durch eine Schriftquelle aus dem Jahre 1422 bei der Prozession ausdrücklich bezeugt ist.
In der Werler Propsteikirche ist eine kleine Votivtafel in der Nähe des Kreuzaltares bis in unsere Zeit eine bleibende Erinnerung an die dortige Kreuzverehrung. Sie verweist durch eine einfache Malerei und eine Umschrift auf die Heilung eines von einem Mistwagen überfahrenen Kindes: „Mein Kind ist unter dem Mistwagen tot gefahren und vor dem Hl. Creutz wider lebendig worden.“
Abrupt beendet wurde die jahrhundertelange Verehrung des Heiligen Kreuzes in Werl durch dessen Zerstörung am 21. Juni 1583. Damals drangen die Soldaten des zum Calvinismus übergetretenen Kölner Erzbischofs Gebhard Truchseß von Waldburg in das Gotteshaus ein und zerstörten bei ihrem Bildersturm auch das Heilige Kreuz. Dessen schwer beschädigter Torso wurde erst 1938 auf dem Dachboden der Pfarrkirche wieder aufgefunden und erhielt nach umfangreicher Überarbeitung am Karfreitag 1953 seinen früheren Platz im Kreuzaltar im Osten des südlichen Seitenschiffes zurück.
Heute steht das Heilige Kreuz von Werl vor allem an den Freitagen und am Fest der Kreuzerhöhung wieder im Mittelpunkt der liturgischen Verehrung.